Narkose beim Whippet

Whippet im Schlafsack

Früher oder später trifft es fast jeden Whippet. Er benötigt eine Narkose. Häufige Gründe sind Verletzungen oder Zahnbehandlungen. Im Web finden sich viele Gruselgeschichten, wie gefährlich doch so eine Narkose speziell beim Whippet und anderen Windhunden sein soll. Unter medizinische Besonderheiten hatte ich bereits die wichtigsten Punkte beschrieben, die für eine sichere Narkose beim Whippet beachtet werden müssen. Diese möchte ich hier noch um weitere Details und Erfahrungen ergänzen. Alles hier geschriebene gilt natürlich auch für andere Windhundrassen.

Benötige ich für eine Narkose einen windhunderfahrenen Tierarzt?

Nein, der Tierarzt muss nicht unbedingt Erfahrung mit Windhunden, speziell Whippets, haben. Nach einem Unfall oder im Notdienst hat man auch gar keine Zeit, nach so einem Spezialisten zu suchen. Wichtig ist, dass keine Barbiturate verwendet werden und die Narkose nach Wirkung dosiert werden kann. Eine Spritze in den Muskel, wo man erst nach 20 Minuten feststellen kann, ob und wie das Medikament gewirkt hat, ist keine geeignete Narkose für einen Windhund. Solche Narkosen führen auch oft dazu, dass der Hund hinterher über Stunden nicht richtig wach wird, weil er erst seinen Rausch ausschlafen muss.

Wünschenswert ist eine Gasnarkose, auch Inhalationsnarkose genannt. Dafür benötigt der Tierarzt aber entsprechende Gerätschaften. Die hat nicht jeder. Eine Gasnarkose kann entweder mit zusätzlichen Narkosemitteln wie Propofol intravenös oder direkt über eine Maske eingeleitet werden. Letzteres ist jedoch nicht sehr verbreitet und dazu ist auch eine auf den schmalen Whippetkopf passende Maske nötig. Eine andere Variante ist die Verwendung von Propofol über Dauerinfusion. Propofol hat nur eine Wirkungsdauer von wenigen Minuten und muss permanent nachdosiert werden. Hier sollte jedoch in jedem Fall die Möglichkeit einer Beatmung vorhanden sein.

Sinnvoll ist immer eine Narkoseüberwachung, bei der die Vitalfunktionen des Whippets permanent kontrolliert werden. Dazu sind sowohl entsprechende Gerätschaften als auch eine zusätzliche Person im OP nötig. Das verursacht zusätzliche Kosten, was viele Menschen scheuen. Ich würde jedoch nie einen Hund freiwillig ohne Narkoseüberwachung behandeln lassen.

Keiner dieser Punkte ist whippetspezifisch. Das gilt auch für andere Hunderassen. Ein Tierarzt, der eine fachgerechte Narkose auf dem aktuellen Stand der Technik durchführen kann, ist grundsätzlich auch für Whippets geeignet. Wichtig ist, dass der Tierarzt Erfahrung mit der verwendetet Narkose hat und weiss, wie er die dosieren muss.

Die klassische Narkose beim Whippet

Die klassische Narkose beim Whippet besteht aus einer Kombination von zwei bzw. drei Narkosemitteln. Zuerst wird ein Venenzugang gelegt. Über diesen erhält der Hund z.B. Propofol zur Narkoseeinleitung, mit oder ohne Sedierung vorweg. Dieses führt in Sekunden (ohne Sedierung) bzw. Minuten zur Bewustlosigkeit. Nun muss es schnell gehen, denn diese Bewusstlosigkeit hält nur wenige Minuten an. Wenn der Besitzer bei der Narkoseeinleitung dabei ist, muss er nun schnellstens den Raum verlassen und den Tierarzt arbeiten lassen.

Als nächstes wird ein Schlauch in die Luftröhre eingelegt, über den der Hund anschließend mit dem Narkosegas und Sauerstoff versorgt wird. Über dieses Narkosegas wird die Länge und Tiefe der Narkose gesteuert.

Meine Hunde haben diese Form der Narkose bisher alle gut vertragen, mit und ohne Sedierung und mit und ohne Gas. Einmal gab es nur die Möglichkeit einer reinen Propofolnarkose mit Sedierung vorweg. Auch da gab es keine Probleme. Die Hunde waren dabei zwischen einem und 15 Jahren alt.

Was muss ich beachten, wenn mein Whippet eine Narkose bekommt?

Alle medizinisch wichtigen Informationen bekommen Sie von Ihrem Tierarzt. Dazu gehört z.B., dass der Hund natürlich zur Operation nüchtern erscheinen muss. Eine wichtige Besonderheit ist, dass Windhunde sehr schnell auskühlen. Das gilt zwar generell für alle schlanken, kurzhaarigen Rassen, es kann aber nicht schaden, den Tierarzt darauf hinzuweisen und ihn zu bitten, den Hund während der Narkose und auch danach warm zu halten. Auch das Mitbringen eines geeigneten Mantels ist eine gute Idee. In der kalten Jahreszeit wird der spätestens für die Heimfahrt benötigt werden.

Für manche Whippets ist es sinnvoll, für die Narkoseeinleitung eine weiche Decke unterzulegen, da sie sich auf dem eher harten Tierarzttisch nicht hinlegen möchten. Eine weiche Decke kann hier Narkosemittel sparen.

Hilfe, mein Hund hat einen Herzfehler!

Vor der Narkose wird der Tierarzt Ihren Hund noch einmal gründlich untersuchen, um sicherzustellen, dass er keine Erkrankungen hat, bei denen eine Narkose zu diesem Zeitpunkt zu gefährlich wäre. Zu dieser Untersuchung gehört auch das Abhören des Herzens. Gerade bei älteren Whippets wird dabei oft ein “Herzfehler” diagnostiziert. Dabei ist es gar nicht möglich, einen Herzfehler nur durch Abhören festzustellen.

Was man hören kann, ist dagegen das Strömungsgeräusch einer undichten Herzklappe. Die Stärke eines solchen Geräuschs sagt überhaupt nichts darüber aus, ob dieser Hund einen “Herzfehler” hat und wenn ja, wie stark der ist und ob der möglicherweise behandelt werden muss. Ein solches Geräusch bekommen fast alle Whippets früher oder später.

Sicherheit kann hier nur eine Herzultraschalluntersuchung beim Kardiologen geben. Eine (vorläufige) Entwarnung kann ein Röntgenbild liefern, sofern der Tierarzt mit den Dimensionen eines Whippetherzens vertraut ist und nicht die normale (Über-)Größe als krankhaft diagnostiziert.

Sollte der Besitzer bei der Narkoseeinleitung dabei sein?

Das kommt auf die Situation und den Besitzer an. Bei Tierkliniken ist das oft generell nicht möglich. Auch da gibt es jedoch Ausnahmen. Bei Loriots Bandscheiben-OP war ich bei der Einleitung dabei.

Bei der Narkoseeinleitung ist es wichtig, den Hund entspannt und ruhig zu halten. Je ruhiger der Hund ist, desto niedriger ist der Bedarf an Narkosemittel. Moony kam locker mit der halben Dosierung bezogen auf sein Gewicht aus und legte sich sehr zum Erstaunen des TA bereits nach der Sedierung ab. Ängstliche Hunde benötigen oft die volle Dosis. Die schlafen dann hinterher auch längern.

Wenn nun der Besitzer sehr aufgeregt ist, überträgt sich das auf den Hund. Das ist keine gute Idee. Wenn der Hund ohne seinen Besitzer zu Verlustängsten neigt, ist auch das nicht ideal. Die ideale Lösung ist die, die den Hund am meisten beruhigt, nicht den Besitzer.

Sollte der Besitzer beim Aufwachen dabei sein?

Diese Frage lässt sich auch nicht generell beantworten. In Tierkliniken ist das fast unmöglich. Bei kleineren Tierarztpraxen ist das oft möglich aber nicht immer erwünscht.

Bei kleineren OPs versuche ich immer, beim Aufwachen dabei zu sein.

Das Aufwachen passiert in mehreren Stufen. Zuerst kehren die Reflexe zurück. Der Hund beginnt zu schlucken. Jetzt kann der Atemschlauch entfernt werden. Ungefähr ab dieser Zeit kann der Besitzer zu seinem Hund.

Anschließend erwachen die für Instinkte zuständigen Hirnareale und damit viel früher als jene, die für bewusste Handlungen zuständig sind. Die Hunde zeigen daher häufig eine mehr oder weniger ausgeprägte Fluchtreaktion, wobei sie den Besitzer noch gar nicht erkennen können. Jetzt ist das Gegenteil von dem gefragt, was bei der Narkoseeinleitung wichtig ist. Hier ist Animation zur Anregung des Kreislaufs hilfreich, damit das Narkosemittel weiter abgebaut wird und der Hund seinen Besitzer erkennt. Aufmunterndes Zureden hilft hier auch, weil der Hörsinn relativ früh wieder funktioniert. Wie lange diese Phase dauert ist sehr unterscheidlich. Bei Moony nach sehr wenig Narkosemittel war es vielleicht eine Minute, bei anderen auch schon mal fünf. In der Zeit kann der Hund aktiv versuchen zu flüchten, obwohl er eigentlich noch gar nicht laufen kann. Unsere Hunde haben sich alle schlagartig beruhigt, sobald sie mich erkannt haben.

Wie geht es weiter, wenn mein Hund wach ist?

Wenn der Whippet aus der Narkose erwacht ist und seinen Besitzer glücklich wiedererkannt hat, wird er voraussichtlich erst mal ein tun: weiterschlafen! Das ist wenig hilfreich, denn er sollte die Tierarztpraxis auf eigenen Beinen verlassen. Also gilt es den Kreislauf weiter anzuregen und den Hund zum Aufstehen zu ermuntern. Windhunde sind als Langschläfer bekannt, vor allem, wenn sie Propofol bekommen haben. Wenn der Hund stehen kann aber lieber schlafen möchte, kann man mit ihm auf dem Parkplatz auf und ab gehen, das hilft dem Kreislauf auf die Sprünge. Sobald der Hund gezeigt hat, dass er wieder laufen kann, darf er normalerweise nach Hause.

Dummerweise ist er jetzt wach – oder so. Da kann es schon mal vorkommen, dass er sich nun nicht mehr hinlegen möchte. An Auto fahren ist also erst mal nicht zu denken. Zum Glück dauert auch diese Phase nur wenige Minuten und die Heimfahrt kann beginnen. Spätestens nach weiteren 10 Minuten waren unsere Hunde immer vollständig wach und verhielten sich normal. Loriot hat mit 14 Jahren eine Stunde nach einer Zahnreinigung im Garten erst mal Tauben verjagt.

Natürlich braucht ein Hund nach einer Narkose noch ein bischen Ruhe. Den Rest des Tages sollte er die auch bekommen.

Und das alles gilt nur, wenn nicht der eigentliche Grund für die Narkose ein anderes Verhalten notwendig macht. Aber nach Zahn-OPs oder einfachen Wundversorgungen sollte der Hund in der Lage sein, die Tierarztpraxis nach spätestens einer Stunde auf eigenen Beinen zu verlassen.

Wie verhindere ich, dass mein Hund an die OP-Wunde geht?

Die klassische Lösung ist hier der berüchtigte Trichter. Der ist für keinen Hund eine schöne Lösung. Bei Windhunden muss der aufgrund der langen Nase besonders groß sein und stört damit noch mehr.

Keiner unserer Hunde hat bisher einen Trichter benötigt. Es gibt verschiedene Arten von Kragen, die eher einem weichen Kissen entsprechen und mit denen der Hund entspannt liegen kann. Ich bevorzuge sofern möglich OP-Bodys, die es in verschiedenen Formen mit und ohne Verschluss gibt. Je nachdem, welche Stelle geschützt werden muss, können auch T-Shirts oder Kinderstrümpfe umfunktioniert werden. So kann das Knabbern an OP-Wunden oft auch ohne Kragen verhindert werden.