Ist Barfen gefährlich?

Gestern fand der jährliche Labogen Hundezüchtertag statt. Bei dieser inzwischen virtuell durchgeführten Veranstaltung halten Tierärzte und andere Experten Fachvorträge zu verschiedenen Themen aus den Bereichen Hundezucht und Haltung. Ein Vortrag behandelte gestern häufige Probleme beim Barfen. Leider wurden dabei einige Problembereiche sehr stark pauschalisiert, wodurch der Eindruck entstehen konnte, dass Barfen generell gefährlich ist. Daher möchte ich hier einen kleinen Überblick über mögliche Probleme und deren Lösungen geben.

Gibt es häufige Probleme beim Barfen?

Diese Frage lässt sich ganz klar mit einem “ja” beantworten. Die Ursache dieser Probleme liegt jedoch nicht am Barfen selbst, sondern an der oft unsachgemäßen Umsetzung. Dabei ist es nicht hilfreich, dass viele Seiten im Web das Barfen so darstellen, als wäre es völlig problemlos und ohne jegliche Kenntnisse von jedem durchzuführen. Das ist leider nicht der Fall.

Wodurch können Probleme auftreten?

An dieser Stelle bin ich mit der Referentin weitgehend einer Meinung. Die Probleme betreffen vorwiegend folgende Themenkreise:

  • Ausgewogenheit der Futterzusammenstellung und in Folge mögliche Fehlversorgung mit Nährstoffen
  • Unverdauliche und schädliche Futtermittel
  • Futtermittelhygiene
  • sowie (im Vortrag nicht diskutiert) Knochenfütterung

Betrachten wir diese Themen im Einzelnen.

Ausgewogenheit des Futters

Fleisch mit oder ohne Gemüse stellt sicherlich keine ausgewogene Fütterung dar. Eine vielfältige Fütterung, wie im Vortrag exemplarisch dargestellt, ist jedoch keine Garant für Ausgewogenheit. Knochen oder geeignete Alternativen müssen immer in einer ausgewogenen Ration enthalten sein, dasselbe gilt für Innereien. Weitere Zusätze sind zwingend notwendig, um die in Fleischprodukten nicht oder nicht ausreichend enthaltenen Mineralien (z.B. Kupfer, Zink, Jod) und Vitamine (insbesondere Vitamin D und E) zuzuführen. Das kann durch geeignete natürliche Ergänzungsfuttermittel oder vitaminisierte Mineralstoffmischungen passieren.

Auch der Energiegehalt des Futters muss zum Hund passen. Proteine sind dabei keine geeignete Energiequelle. Zusätzlich ist ein ausreichend hoher Anteil an Fett und Kohlenhydraten nötig. Ansonsten drohen durch eine Proteinüberversorgung Verdauungsstörungen oder gar Schäden an Nieren und Leber.

Werden diese Punkt nicht beachtet, kann Barfen daher insbesondere bei trächtigen und laktierenden Hündinnen, Welpen und alten oder kranken Whippets zu gesundheitlichen Problemen führen.

Unverdauliche und schädliche Futtermittel

Nun könnte man meinen, dass beim Barfen alle Futtermittel roh gefüttert werden sollen. Davon ist jedoch bei bestimmten Futtermitteln dringend abzuraten.

Dass Kartoffeln und Hülsenfrüchte roh giftig sind, dürfte allgemein bekannt sein. Aber auch rohes Eiklar sollte nicht verfüttert werden, da es Avidin enthält, welches die Aufnahme von Biotin stört.

Und manche Fische wie zum Beispiel Hering enthalten Thiaminasen. Diese Enzyme bauen Vitamin B1 (Thiamin) ab im Futter ab. Das kann auf Dauer zu Mangelerscheinungen führen. Thiaminase ist wie alle Enzyme nicht hitzebeständig und wird daher durch Kochen zerstört. Daher sollten kein thiaminasehaltiger Fisch roh gefüttert werden. Andere Fischarten wie z.B. Lachs oder Dorsch enthalten keine Thiaminase und können problemlos auch roh verfüttert werden.

Ein weiteres Problem ist die Verfütterung von nicht vollständig ausgelöstem Kehlkopf und Schlund vom Säugetier. Am Kehlkopf sitzt die Schilddrüse. Darin sind große Mengen an Schilddrüsenhormonen gespeichert. Wenn die Schilddrüse oder Teile davon mit verfüttert werden, kann das zu erheblichen Problemen mit Symptomen einer massiven Schilddrüsenüberfunktion führen. Daher sollte Kehlkopf nur aus vertrauenswürdiger Quelle bezogen werden. Der ist dann zwar nur noch halb so groß wie Billigware, dafür mindestens doppelt so teuer. Ist der Kehlkopf kugelförmig, ist mit großer Wahrscheinlichkeit die Schilddrüse noch enthalten.

Der Behauptung mancher Tierärzte, dass ähnliche Probleme auch beim Verfüttern von Hühnerhälsen auftreten können, ist dagegen falsch. Beim Huhn liegt die Schilddrüse am unteren Ende des Halses, kann also nur beim Verfüttern eines ganzen Huhnes verspeist werden. Dann ist die Menge jedoch unkritisch.

Weiterhin gibt es Lebensmittel, die für Menschen harmlos, für Hunde jedoch giftig sind. Die dürfen natürlich unabhängig von der Fütterungsart nicht im Napf landen.

Futtermittelhygiene

Eines der im Vortrag genannten Kernprobleme war die in veschiedenen Studien gefundene Belastung der Barf-Rationen mit gesundheitsschädlichen Keimen. Das ist tatsächlich ein Problem. Allerdings liegt die Ursache nicht beim Barfen.

Wer billige Schlachtabfälle bestellt, muss sich nicht wundern, wenn er billige Schlachtabfälle bekommt. Umgekehrt gibt es sehr wohl Barfshops, die nach HACCP zertifiziert sind und damit sehr strenge Hydienestandards einhalten müssen. Dazu gehört die regelmäßige Kontrolle durch den Amtstierarzt sowie die Verprobung der hergestellten Futtermittel.

Nun hat der Hund als Aasfressen in vielen Fällen keine Probleme mit hoher Keimbelastung. Allerdings kann diese für menschliche Familienmitglieder zu einem Problem werden. Und auch bei Welpen sowie alten oder kranken Hunden sind möglicherweise andere Hygienestandards nötig als bei gesunden erwachsenen Hunden.

Fütterung von Knochen

Knochen liefern wichtige Mineralien, insbesondere Calcium und Phosphor, in einem natürlichen Verhältnis. Sie sind daher eine wichtiger Futterbestandteil beim Barfen. Aber nicht jeder Knochen ist zum Verzehr geeignet.

  • Ungeeignete Geflügelknochen können splittern
  • Zu harte Knochen können Zahnschäden verursachen
  • Markknochenringe aus der Beinscheibe können sich über den Unterkiefer stülpen und unter Umständen nur unter Narkose wieder entfernt werden
  • Und ein Übermaß an Knochen kann zu Knochenkot oder im Extremfall zu Darmverschluss führen

Ist also Knochenfütterung gefährlich? Nicht wenn man geeignete Knochen wie rohe Hühnerhälse oder Rinderbrustbein in angemessener Menge verwendet.

Zusammenfassung: Ist Barfen gefährlich oder nicht?

Die Frage lässt sich im Gegensatz zur Einschätzung vieler Tierarzte nicht pauschal beantworten. Keines der genannten Probleme liegt ursächlich am Barfen, sondern immer an der Umsetzung. Allerdings kann ich jeden Tierarzt verstehen, der die Folgen unsachgemäßer Barffütterung zu sehen bekommt und daher davon abrät.

Wer sich für das Barfen interessiert, sich aber nicht selbst mit dem Thema beschäftigen möchte, sollte sich daher zumindest am Anfang fachkundige Hilfe suchen und bei Bedarf einen professionellen Futterplan erstellen lassen.